Für alle, die vom Sommerlager noch nie etwas gehört haben, will ich es kurz erklären.
Dieses Trainingslager, an welchem nur Leute teilnehmen dürfen, die auch im Alltag KU üben, findet jedes Jahr im Sommer am Frauensee in der Nähe von Berlin statt. Karateka aus ganz Deutschland finden sich hier zusammen um eine Woche lang sehr intensiv zu trainieren.
Wir waren rund 35 Personen aber dieses Zahl schwankte während der Woche weil manche später dazu kamen und andere früher gehen mussten.
Steve und Sabrina hatten mir viel davon erzählt und somit war ich schon „gewarnt“, als ich dort alleine hinfuhr. Gewarnt vor dem anstrengenden Trainingsplan welchen ich unten beschreibe, gewarnt vor dem (gefühlt) endlosen Drills&Workouts und so weiter. Sie hatten mir aber auch von dem guten und abwechslungsreichen Training, der guten Gemeinschaft und diesem speziellen Flair erzählt und deswegen schaute ich der Woche optimistisch entgegen.
Der Tagesablauf war jeden Tag gleich:
07:30 – Frühsport im Sand (Teilnahme freiwillig)
08:00 – Frühstück
10:00 – Erste Trainingseinheit mit dem Thema Kata und deren Partnerformen
12:15 – Mittagessen
15:00 – Zweites Training, hier haben wir uns mit Waffen beschäftigt
17:45 – Abendessen
19:00 – Drittes Training, Thema war der Freikampf mit Elementen aus dem Boxen, MMA, Kickboxen und Muay Thai.
Wir trainierten auf einem von hohen Bäumen beschatteten Platz welcher nur 100 Meter vom See entfernt liegt. Der Boden ist, wie für die Region typisch, sehr sandig und überall lagen die Pineapples, äh ich meine die Kiefernzapfen auf dem Boden. Wir nannten sie aber scherzhaft Pineapples (englisch für Ananas) weil sie jemand am ersten Tag aus versehen so genannt hatte.
Nach jedem Training war man komplett durchgeschwitzt und auch sehr sandig da man während des Trainings des öfteren auf dem Boden oder im Sand des nahe gelegenen Volleyballfeldes gelandet war. Um es direkt zu sagen, manchmal sahen wir alle aus wie panierte Schnitzel! Von oben bis unten voller Sand, welcher sich zum Glück beim sofort nach dem Training stattfindenden Bad im erfrischenden See abspülen lies.
Wir machten sehr oft Partnerwechsel und somit hatte ich die großartige Chance, mit sehr sehr vielen Schwarzgurten und einfach unterschiedlichen Leuten zu trainieren. Von jedem konnte ich etwas lernen und da ich diese ganzen Details und neuen Übungen unmöglich alle im Kopf behalten konnte, schrieb ich nach jedem Training alle neuen Details und so weiter auf. Nach der Woche hatte ich dann ganze 26 DIN A4 Seiten voll geschrieben und habe so genügend Sachen an denen ich die kommenden Monate üben kann.
Die Gemeinschaft war hervorragend! Egal wie fertig alle waren, es gab immer jemand, der einem einen aufmunternden Blick zugeworfen hat oder einen während der Drills motiviert hat, nochmal schneller zu werden obwohl man das Gefühl hatte, es ginge nicht mehr. Dieses Gefühl, keine Sekunde, keine Liegestütze länger durchhalten zu können, hatte ich öfters. Das Erstaunliche daran war aber, dass ich jedes mal DOCH noch weiter machen konnte. Diese Grenze die mein Kopf mir zeigt ist nicht die Grenze meines Körpers. Als wichtige Lektion habe ich also gelernt, dass man nicht nur den Körper trainieren muss, sondern auch den Geist. Durchhalten habe ich auf jeden Fall gelernt in dieser Woche.
Während wir nach einer Einheit Dehnübungen im Sand machten – es hatte gerade geregnet und somit war der Sand nass und klumpig – fiel mir ein Vergleich ein: Eigentlich ist Sand doch wie die Zeit. Wir Menschen können die Zeit nicht anhalten, weil wir sie einfach nicht zu fassen bekommen. Sie läuft beständig weiter. Genau das gleiche passiert doch, wenn wir versuchen, trockenen Sand mit der Hand festzuhalten. Er zerrinnt uns einfach zwischen den Fingern, genauso wie die Zeit.
Aber wir Menschen empfinden das Vorübergehen von Zeit nicht immer gleich schnell. Geht es uns zum Beispiel nicht gut, vergeht die Zeit gefühlt viel langsamer. Also kann man doch die schlechten Zeiten mit nassem Sand vergleichen, ihn können wir mit der Hand festhalten. Aber zum Glück nicht ewig, weil es kommt sicher wieder die Sonne raus (=die schlechten Zeiten sind vorbei) und trocknet den Sand, womit der normale Zeitfluss wieder einsetzt.
Dass man die Zeit nicht anhalten kann, sagt uns auch das Motto, welches dieses Jahr auf den T-Shirts stand: „ichi go ichi e“
Dieser japanische Satz bedeutet übersetzt ungefähr: „Ein Moment kommt, ein Moment geht“ , was heißen soll, dass man im jetzt und hier leben soll. Nicht in der Vergangenheit, aber auch nicht in der Zukunft sondern genau jetzt. Wir sind nicht in der Lage, Momente einzugefrieren und somit festzuhalten und können einfach nur in den Fluss des Lebens und der Zeit eintauchen und es genießen.
Als abschließendes Fazit kann ich sagen, dass sich diese Woche unglaublich für mich gelohnt hatte und ich auf jeden Fall wieder hin gehen werde.