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Das jährliche Treffen der KU-Schwarzgurte findet jedes Jahr an einem anderen Ort statt. In diesem Jahr hat es uns ins Erzgebirge in die unmittelbare Nähe der tschechischen Grenze verschlagen. Umso weniger verwunderlich ist es rückblickend, dass mein Navi mir auf dem Hinweg empfahl, doch „einfach“ durch Tschechien zu fahren. Na wenn das Navi meint, dass das schneller sei, da traut sich ja kaum jemand zu widersprechen, oder? Nachdem ich dann gefühlt einmal über den Fichtelberg geführt wurde, über „Straßen“, die sich eher wie mittelprächtige Feldwege anfühlten, kam ich auch pünktlich auf dem leicht mit Schnee bedecktem Rabenberg an.
„Rabenberg“ bezeichnet hier sowohl ein Bergmassiv von ca. 900m über Normalhöhennull als auch einen Ortsteil von Breitenbrunn und ist letztlich auch der Name des heutigen Sportparks und unserer dortigen Unterkunft gewesen. In den 50er Jahren gab es auf dem Berg eine Bergarbeitersiedlung, die mit der Aufnahme der Urangewinnung angelegt wurde. Mit dem Ende des Bergbaus standen die Gebäude dann zum Großteil leer. In den 60er Jahren wurde eine Sportschule des Deutschen Turner- und Sportbundes der DDR beherbergt und ab 1990 wurde das Gelände zum Sportpark umgestaltet und bietet heute Trainingsmöglichkeiten für zahlreiche Sportarten.
Dort nun angekommen, bezogen wir die Zimmer, aßen am super leckeren Buffet – teilweise etwas zu viel 😊 – und gingen anschließend zum Training. Boden war geplant für diesen Abend. Nach einer kurzen Erwärmung rollten wir immer 6 mal mit jeweils wechselnden Partnern und zwischendurch mit kleinen Pausen. Nach den 6 Runden gab es jeweils eine längere Pause und die Möglichkeit, Fragen zu stellen. Wir tauschten uns dann über verschiedene Positionen oder Situationen am Boden aus, wie bspw. ob die „Turtle“ eine sichere Position ist, wie man es vermeidet in eine Guard zu kommen oder wie man sich gut aus der Closed Guard befreien kann. Nach ca. 3,5h beendeten wir das Training und ließen den Abend ausklingen.
Am kommenden Morgen trauten wir unseren Augen kaum: Über Nacht hatte es ordentlich geschneit und es lagen ca. 10cm Schnee. Nach dem Frühstück gingen wir dann wieder in die Trainingshalle und beschäftigten uns mit der „Ne Waza Futari Gata“. Wer die einzelnen Bestandteile dieses Ausdrucks analysieren kann, weiß, dass es sich hier um eine festgelegte Partnerform am Boden handelt. Sensei McCarthy hat diese Übungsform entwickelt, um den Übenden Techniken am Boden zu vermitteln. Für diese Form gilt jedoch das gleiche, wie für die meisten anderen Kata auch: Wenn der Gegner statt X doch Y tut, funktioniert das Ganze nicht mehr. Wenn man diese Form daher lernen und wirklich verstehen will, muss man sich damit beschäftigen, was mit X gemeint war, in welcher Situation das Sinn macht und wann vielleicht doch W oder Y im Kampf wirkungsvoller wären. Die bloße Abfolge der Bodentechniken zu lernen, ist weniger gewinnbringend. Aber wie bereits erwähnt, das kann man eigentlich auf jede andere „festgelegte“ Form übertragen, nur war das für mich an der Stelle nochmal ein „Schlüsselmoment“. Hendrik hatte sich sogar die Mühe gemacht und für alle 64 Techniken die englische und japanische Bezeichnung erarbeitet und für jeden eine Kopie mitgebracht. Vielen Dank dafür.
Ein ausgiebiges Mittagessen fiel dieses Jahr zu Gunsten des Trainings bzw. einer längeren Wanderung aus. Aufgrund der begrenzt verfügbaren Zeit haben wir die Wanderung dann aber doch etwas eingekürzt und uns noch vor dem Abendessen mit der Kata „koryu no sai“ beschäftigt. Felix gab uns hier einen Einblick in die Form und seiner Ausführung davon. Nach einer Unterbrechung zum Abendessen fuhren wir mit der Form dann fort und versuchten sie durch Wiederholung zu festigen. An diesem Abend trainierten wir nicht so lange, weil wir uns noch etwas ausgiebiger unterhalten wollten. Nach einem kurzen Sauna-Gang trafen wir uns in der Runde wieder. Hier sprachen wir insbesondere darüber, warum wir im KU „so viel“ Boden üben und welche Trainingsinhalte eigentlich Koryu Uchinadi ausmachen und warum. Ich konnte mitnehmen, dass sich KU im Idealfall immer in dem Spannungsverhältnis zwischen Zweckorientierung und Selbstzweck bewegen sollte. Was meint das nun? Wir haben auf der einen Seite das Ziel, uns bspw. selbst verteidigen zu können und daher den Anspruch, dass die Techniken auch in der potentiellen Praxis funktionieren. Wir haben auf der anderen Seite keine zwingende Notwendigkeit uns immer der Zweckorientierung Selbstverteidigung zu widmen. KU will eben auch die Möglichkeit bieten, dass man Formen zum Selbstzweck übt, sie daher perfektioniert und sich mit sich selbst auseinandersetzen kann und muss. Soweit zur allgemeinen Ausrichtung von KU. Das Training am Boden im Speziellen bietet die Möglichkeit mit einer vergleichsweise hohen Intensität und gleichzeitig hohen Sicherheit verletzungsfrei trainieren zu können. Es kann und sollte die anderen Distanzen und Formen des körperlichen Zweikampfes nicht ersetzen, es ermöglicht aber einen vergleichsweise einfachen Einstieg in die Beschäftigung mit dem Zweikampf. Diese Gedanken habe ich aus dem Gespräch am Samstag für mich mitgenommen und bin sehr dankbar für diesen Austausch.
Am Sonntagmorgen hatten wir dann nach dem Frühstück ein letztes Training. Hier hat sich zunächst Olaf einige Grundformen angesehen und individuelle Hinweise zur Verbesserung gegeben. Anschließend haben wir die Gruppen nochmal aufgeteilt. Ich habe dann bei Hendrik und Felix nochmal Kata, einzelne Anwendungen und Tegumi geübt. Nach dem Training habe ich mich verabschiedet und bin die Rückreise angetreten. Es war insgesamt ein sehr anstrengendes und intensives Wochenende, aber es hat sich auf jeden Fall gelohnt. Da wir uns nun zur Vorsorge in einer Trainingspause befinden, bin ich noch froher, dass ich diese intensive Lerngelegenheit mitnehmen konnte. Ich freue mich auf das nächste Jahr und würde mich noch mehr freuen, wenn mich irgendwann weitere Mitglieder aus unserem Dojo zu solchen Ereignissen begleiten könnten. Also bleibt dran!