„Gehe deinen eigenen Weg“ – eine Floskel, die oft leichter gesagt ist, als getan. Vor allem deshalb, weil dieser Weg in den seltensten Fällen so eindeutig ausgeschildert ist, dass man kilometerweise geradeaus laufen kann. Im Gegenteil: Oft gibt es Abzweigungen, die dazu verlocken eine Abkürzung zu gehen. Manchmal kommt man auf diese Weise schneller voran, ab und zu kommt man aber auch von seinem eigentlichen Weg ab und befindet sich dann auf einer alternativen Route. Gelegentlich bleibt man auch stehen, setzt sich auf eine Bank am Wegesrand und ruht sich aus. Oder dreht sich um und blickt auf das zurück, was man bereits geschafft hat. Und das häufig auch ohne zu wissen, welches Ziel man überhaupt hat. Des Öfteren trottet man einfach so vor sich hin, setzt einen Fuß vor den anderen, fast schon mechanisch. Dann kommt es dazu dass man sich selbst fragt, wozu man das eigentlich macht und ob man das überhaupt will. Man muss Entscheidungen treffen. Gegebenenfalls dreht man um und läuft zurück, vielleicht geht man aber auch weiter geradeaus – oder nimmt die Abzweigung in eine andere Richtung.
Ich selbst bin oft nicht sehr gut darin Entscheidungen zu treffen. Oft wäge ich tagelang die Optionen ab und versuche mich weder blind auf den Kopf noch auf mein Herz zu verlassen. Vermutlich ist das auch ein Grund dafür, dass ich auf meinem Weg häufig stehen bleibe. Manchmal, um die Aussicht zu genießen, oft aber auch, weil ich nicht weiß, ob ich rechts oder links abbiegen soll. Glücklicherweise habe ich in diesem Jahr die Entscheidung getroffen ins Sommerlager zu fahren, die für mich sehr wichtig war und mir vor Augen geführt hat, dass kein Weg dem anderen gleicht. Der eigene Weg ist so individuell wie die Person, die ihn geht. Dazu gehört zu wissen was man selbst möchte. Aus welchen Gründen man die weite Reise auf sich nimmt und an den Frauensee fährt. Welche Erwartungen man hat. Aber auch welche Ängste. Man muss sich darüber klar werden, was man will. Aber auch, was man körperlich und psychisch leisten kann. Nicht alle Menschen bringen die gleichen körperlichen Voraussetzungen mit – manche sind größer, leichter, fitter, trainierter, sorgloser oder begabter. Vielen fällt die Kampfkunst scheinbar in den Schoß, andere mühen sich ab. Von außen mag da für den ein oder anderen die Frage aufkommen, warum diese Personen dennoch ins Sommerlager fahren und Karate üben. Welches Ziel haben sie vor Augen?
Meine Entscheidung an den Frauensee zu fahren, ist auf die Suche nach Antworten zurückzuführen. Antworten auf Fragen, die ich zuvor nicht einmal genau formulieren konnte. Dennoch kann ich nach der Woche im Sommercamp sagen, dass sich der vernebelte Himmel gelichtet hat und ich nun wieder klarer sehe, wo mein eigener Weg hinführt.
Die für mich wohl wichtigste Erkenntnis der ersten Augustwoche liegt darin, dass es keinen „falschen“ Weg gibt. In unserer Gesellschaft existieren, ebenso wie in verschiedenen Gemeinschaften, Normen, denen man häufig entsprechen möchte: einen guten Schulabschluss haben, das große Geld verdienen, den Partner fürs Leben finden, heiraten, ein Haus bauen, Kinder kriegen. Oft verliert man aber aus den Augen, dass das nur einige wenige Optionen von vielen sind. Ähnlich verhält es sich meines Erachtens bei der Kampfkunst. Viele von uns haben in der Vergangenheit schon unterschiedliche Erfahrungen gesammelt. Einige haben sehr jung angefangen, andere wiederum erst mit fortschreitendem Alter. Manche fokussieren sich ausschließlich auf KU, andere üben sich noch im Boxen, BJJ, Stock, JuJutsu, etc. Einzelne üben eine überschaubare Anzahl an Jahren bis sie eine Danprüfung im KU absolvieren können, andere hingegen tun sich schwerer und benötigen mehr Zeit. Nichtsdestotrotz: der eine richtige Weg existiert nicht. Und das ist auch gut so.
Vielen Dank an alle, die diesen kleinen Streckenabschnitt im August mit mir zusammen gegangen sind, Trainings gegeben haben, ein offenes Ohr hatten und mir im wahrsten Sinne des Wortes zur Seite standen. Auch wenn es wiederum andere Streckenabschnitte gibt, die man alleine gehen muss, frage ich mich wie mein Weg heute wohl aussehen würde, wenn es euch nicht gäbe.