von Jürgen Lauer
Das Uni-Karate-Dojo Stuttgart lud am Wochenende des 08.07.2023 zu den mittlerweile jährlichen Bunkai- und Selbstverteidigungstagen mit Iain Abernethy in Stuttgart ein.
Iain Abernethy stammt aus England, beschäftigt sich seit seiner Kindheit mit diversen Kampfkünsten und bekleidet den 7. Dan der British Combat Association. Europaweit ist er aktuell einer der bekanntesten Bunkai-Spezialisten.
Zu sechst aus Gärtringen angetreten, durften wir mit ca. 100 weiteren Karateka aus Deutschland, Österreich und Slowenien knapp zwei Tage lang bei deutlich über 30 Grad Hitze zwei Themenschwerpunkten folgen.
Samstags beschäftigten wir uns ausgiebig mit selbstverteidigungsbezogenem Bunkai der Kata Naihanchi (stilbezogen auch Naifanchi oder Tekki genannt).
Naihanchi – so wird vermutet – hat chinesische Ursprünge und wurde zuerst von Sokon Matsumura auf Okinawa gelehrt. Dieser gab sein Wissen u.a. an bekannte Schüler wie Itosu Anko und später Motobu Choki und Funakoshi Gichin weiter.
Die Kata wird von manchen als komplettes SV-System gesehen, da ihr Fokus auf nahkampfrelevanten, kompromisslosen und direkten Techniken liegt.
Iain verbrachte sehr viel Zeit mit der historischen Herleitung und diversen theoretischen Aspekten. Gemäß des inoffiziellen Lehrgangs-Mottos „If you find yourself in a fair fight, your tactics suck“ zeigte er anschaulich diverse Situationen und Verteidigungsmöglichkeiten, die er aus Naihanchi ableitete. Dabei wurde er nicht müde zu betonen, dass die Kata eine Antwort auf eine Fülle von verschiedenen Angriffsoptionen hat. Besonders beleuchtet wurden hier
- das Bestreben, aus einer Verteidiger- schnell in eine Angreiferrolle zu schlüpfen, um den Gegner zu dominieren
- die sich ständig verändernden Distanzen zwischen Angreifer und Verteidiger
- Verhalten während eines Kampfes und Ausstieg unter SV-Gesichtspunkten (kontrollierter Rückzug).
Immer wieder baute Iain – ganz Entertainer – unterhaltsame Geschichten aus seiner Vergangenheit und inspirierende Trainingsansätze aus seinem Dojo ein.
Die verschiedenen Partnerübungen beinhalteten unter anderem
- Blocks gegen Mawashi-Uki mit Übergang in einen Clinch, Konter und Auflösen der Situation
- Befreiung und Konter aus Counter-Clinch (mit und ohne Beißeinlage)
- Trappings und Überleitung zu aus Naihanchi abgeleitetem Flowdrill
Sonntagmorgen standen Partnerübungen mit und ohne Handpratzen an.
Hier legte Iain sehr viel Wert auf die Hüftrotation zur Erhöhung der Schlag- und Bewegungsgeschwindigkeit.
Iain grenzte hier stark von Sportkarate-Techniken ab und fokussierte auf Kopfstöße, schnelle zum Kopf führende Fauststöße, Ellbogentechniken sowie Kicks gegen und zwischen die Beine.
Alles in allem erhielten wir über die fast zwei Tage mal wieder anregenden Input, vor allem zu interessanten Trainingsansätzen im Dojo.