Riai: alt und dennoch irgendwie neu (Haßloch, 02./03.09.17)

Riai: alt und dennoch irgendwie neu (Haßloch, 02./03.09.17)

Bereits auf der Fahrt nach Haßloch haben Felix, Andi, Steve und ich darüber gesprochen, was genau sich hinter dem Seminarthema „Riai“ verbirgt. Auch wenn die direkte Übersetzung durchaus knifflig ist, da es für beide Silben mehrere Übersetzungen gibt, scheinen folgende Varianten einen ersten Erklärungsansatz zu bieten:

理 (Ri) = Prinzip, Art und Weise
合 (Ai) = Harmonie, Synthese

Riai ist also ein „Harmonisches Bewegungsprinzip“ bzw. das „Prinzip der Harmonie“. Wer bei dieser Erklärung zunächst Aikido-Übende vor seinem geistigen Auge hat, liegt damit gar nicht so verkehrt. Es geht darum, eine Harmonie mit und zu seinen Techniken aufzubauen und dabei insbesondere sich selbst und sein Umfeld in den Blick zu nehmen. Sprich: Man soll Techniken anwenden, die für einen selbst aufgrund des eigenen Könnens und der individuellen körperlichen Voraussetzungen stimmig sind. Allerdings müssen diese natürlich auch zur Situation passen: wenn man beispielsweise nur einen Takedown im Training übt, den man vorzugsweise mit leichteren oder gleich schweren Personen ausführt, ist dies unter Umständen nicht die geschickteste Variante um einen deutlich schwereren Gegenüber auf den Boden zu bringen. Man muss also lernen, sich situationsbedingt anzupassen und „flexibel“ zu reagieren. Doch wie macht man das?

Leider (oder zum Glück) gibt es hierfür keine pauschale Lösung. Fakt ist, dass man im Training oft einstudierte Partnerformen übt, bei denen das flexible/individuelle Reagieren auf bestimmte Angriffe in den Hintergrund rückt. Manch einer könnte meinen, dass genau das im direkten Widerspruch zu „riai“ steht. Allerdings kann man nur flexibel reagieren, wenn man bestimmte Reaktionsmöglichkeiten (Techniken) kennengelernt und einstudiert hat, demnach also genug „Werkzeuge im Werkzeugkoffer“ vorhanden sind. Wie McCarthy sensei auf Seminaren oft sagt: „If the only tool you have is a hammer, you better hope that every problem looks like a nail”. Das KU-Curriculum, insbesondere das Nyumon, bieten also eine gute Grundlage für “freiere” Übungsformen. Dennoch stellt sich die Frage, ob man „riai“ als Trainingsprinzip oder Trainingsmethode betiteln kann. Hierfür ist wichtig, dass der Unterschied zwischen den beiden Begriffen deutlich wird.

Prinzipien = Grundsätze, die man seinem Handeln zugrunde legt und die meist nicht nur für ein bestimmtes Teilgebiet, sondern das gesamte Fachgebiet (oder sogar darüber hinaus) gültig sind

Methoden = planmäßig angewandte Vorgehensweisen, um ein festgelegtes Ziel zu erreichen

Je nach Erfahrung und Position auf dem eigenen Kampfkunstweg kann riai beides sein: Prinzip (Ziel) UND Methode (um ein Ziel zu erreichen). Oft verändert sich dies im Laufe der Zeit und mit fortschreitender Übung, was ein völlig normaler (Lern-)Prozess ist.

Da ich beim Seminar leider selbst nicht mit üben konnte, war es für mich umso schöner zu sehen, dass einige Seminarteilnehmer die Harmonie durch die Wahl der „passenden“ Reaktionen nach Olafs theoretischem Input ideal umgesetzt haben. Vielleicht haben sie das zuvor auch schon, da riai auch ohne vorherige Erläuterung eine Sache ist, die man irgendwie sowieso als Ziel hat und einem trotz Erklärung nicht unbedingt „neu“ erscheint. Dennoch hat es zumindest meinen Blickwinkel auf die Übung verändert. Und spätestens wenn der erste Wurf das nächste Mal ohne größere Anstrengung funktioniert oder das Ausweichen und Kontern in genau dem richtigen Moment mit genau der richtigen Technik klappt, weiß ich, welchen Namen ich dem Kind geben kann 😉